Kriminelles Netzwerk greift EU-Parlament an

Strassburg, 12. Dezember 2022 – Die Präsidentin des Europäischen Parlaments, Roberta Metsola, gab am Montag bei der Eröffnung der Plenarsitzung in Straßburg bekannt, dass sie und die Abwehrdienste des Europäischen Parlaments mit den belgischen Behörden kooperierten, um ein kriminelles Netzwerk zu Fall zu bringen. Wörtlich sagte sie: “Machen wir uns nichts vor:

  • Das Europäische Parlament, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird angegriffen.
  • Die europäische Demokratie wird angegriffen.
  • Und unsere offenen, freien, demokratischen Gesellschaften werden angegriffen.

Die Feinde der Demokratie, für die allein die Existenz dieses Parlaments eine Bedrohung darstellt, werden vor nichts Halt machen. Die böswilligen Akteure, die mit autokratischen Drittländern in Verbindung stehen, haben mutmaßlich NRO, Gewerkschaften, Einzelpersonen, Assistenten und Mitglieder des Europäischen Parlaments als Werkzeug eingesetzt, um unsere Verfahren zu kontrollieren.

Ihre bösartigen Pläne sind gescheitert. Unsere Dienststellen, auf die ich sehr stolz bin, arbeiten seit einiger Zeit mit den zuständigen nationalen Strafverfolgungs- und Justizbehörden zusammen, um dieses mutmaßliche kriminelle Netzwerk zu zerschlagen.

Wir haben in Abstimmung mit den Behörden dafür gesorgt, dass alle rechtlichen Schritte eingehalten werden, dass alle Daten erhalten bleiben und dass, wo nötig, IT-Ausrüstung gesichert, Büros versiegelt und Hausdurchsuchungen durchgeführt werden können. Am vergangenen Wochenende habe ich einen belgischen Richter und die Polizei zu einer Hausdurchsuchung begleitet, wie es die belgische Verfassung vorschreibt.

Als Vorsichtsmaßnahme habe ich, wiederum unter voller Wahrung der Unschuldsvermutung, die genannte Vizepräsidentin (Eva Kaili, [Anmerkung der Redaktion]) allen Aufgaben und Zuständigkeiten, die mit ihrer Rolle als Vizepräsidentin zusammenhängen, entbunden und eine außerordentliche Sitzung der Konferenz der Präsidenten einberufen, um ein Verfahren nach Artikel 21 einzuleiten, das die Beendigung ihrer Amtszeit als Vizepräsidentin zum Ziel hat, um die Integrität dieses Hauses zu schützen.”

Nach der Erklärung von Präsident Metsola äußerten sich die Fraktionsvorsitzenden zu den laufenden belgischen Ermittlungen gegen Mitglieder und Angestellte des Europäischen Parlaments.

Manfred Weber (EVP, DE) sagte: „Unsere Glaubwürdigkeit ist in Gefahr. Einen wahren Straftäter schreckt zwar keine Vorschrift ab, trotzdem sind wir bereit, unsere Regeln weiter zu verbessern”. Korruption sei der größte Feind der Demokratie, fügte er hinzu und betonte, dass in diesem Parlament und in allen anderen EU-Organen kein Platz für Korruption sei und dass deren Bekämpfung der einzige Weg sei, um Vertrauen zurückzugewinnen.

Iratxe García (S&D, ES) erklärte, dies sei „ein schwarzer, sehr trauriger Tag für die europäische Demokratie”. Sie kündigte an, dass ihre Fraktion als geschädigte Partei an dem Gerichtsverfahren teilnehmen werde, und forderte das Parlament zu einer entschlossenen Reaktion auf, um festzustellen, „was geschehen ist, und um sicherzustellen, dass so etwas nicht wieder passiert”. Sie rief zur Geschlossenheit innerhalb des Parlaments auf, um mehr Transparenz und Rechenschaftspflicht bei seinen Tätigkeiten zu gewährleisten.

Stéphane Séjourné (Renew, FR) sagte, dass „unsere Institution ohne Vorbehalt ihre volle Unterstützung und Zusammenarbeit mit der Justiz bekräftigen muss. Dies bedeutet jedoch nicht, dass wir einfach den Abschluss dieses Verfahrens abwarten sollten – ganz im Gegenteil”. Er forderte, die Transparenzregister des Parlaments zu stärken und ein interinstitutionelles Ethikgremium mit Untersuchungsbefugnissen einzurichten.

Terry Reintke (Grüne/EFA, DE) sagte, dies seien dunkle Tage für die EU-Demokratie. „Ich denke vor allem an die Millionen von Bürgerinnen und Bürgern, die es jetzt schwer haben und nicht wissen, wie sie durch den Monat kommen sollen. Für das Parlament könne es kein „weiter so“ geben, fügte sie hinzu. „Wir müssen schriftlich festhalten, was wir tun wollen. Dazu sollten eine umfassende Untersuchung, eine Reform des Lobbyregisters, die Einrichtung eines Ethikgremiums und eine eigene Stelle im Präsidium gehören, die sich mit diesen Fragen befasst.”

Ryszard Legutko (EKR, PL) sagte, dass nun vieles enthüllt worden sei und „in Zukunft noch mehr herauskommen werde”. Diejenigen, die es auf das Parlament abgesehen hatten, hielten es wahrscheinlich für einen Ort mit einigen Schwachstellen, sagte er, und seien zum Entsetzen aller Abgeordneten erfolgreich gewesen. Er plädierte dafür, nach diesem Fall eine kritische Analyse von außen durchzuführen, eine kritische Beschreibung der Funktionsweise der Institution, um ähnliche Vorfälle in Zukunft zu verhindern.

Marco Zanni (ID, IT) betonte, dass die „Haltung der moralischen Überlegenheit”, wie sie in einem jüngsten Bericht des Ausschusses für ausländische Einmischung festgestellt wurde, angesichts dieses Skandals aufgegeben werden müsse. Neben Sofortmaßnahmen zur Wahrung der Seriosität der Institution und der Aufdeckung der politisch Verantwortlichen müsse sich im Parlament eine „neue Haltung” entwickeln, ohne „die Selbstbezogenheit, die dieser Institution oft geschadet hat”.

Für die Linke sagte die Fraktionsvorsitzende Manon Aubry (FR), dass das Europäische Parlament mit dem größten Skandal seiner Geschichte konfrontiert sei. Sie sei nicht überrascht, da sie schon vorher beobachtet habe, wie „bestimmte Fraktionen” versucht hätten, eine kürzlich verabschiedete Resolution zu Katar abzuschwächen. Aubry forderte einen Untersuchungsausschuss, der die Anfälligkeit der EU-Institutionen für Korruption und Interessenkonflikte untersucht. „Die Demokratie ist nicht käuflich”, sagte sie abschließend.(EP/IIM)